Forderungsbeitreibung in der Türkei
Aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei kommt es immer wieder zu Problemen zwischen den Vertragspartnern, sei es zwischen Unternehmern oder auch zwischen Privatpersonen. Was ist also zu unternehmen, wenn der Schuldner mit Sitz in der Türkei etwa seine Schulden nicht bezahlt?
Im außergerichtlichen Bereich gibt es zunächst die Möglichkeit, einer außerprozessualen Zahlungsaufforderung. Diese erfolgt im Gegensatz zur deutschen Anwaltspraxis über ein vom Notar zugestelltes Mahnschreiben. In diesem teilt der Anwalt dem Schuldner mit, dass er die Forderung für seinen Mandanten geltend macht und zur Klageerhebung entschlossen ist und setzt ihm eine Zahlungsfrist. Spätestens von diesem Zeitpunkt an, kommt der Schuldner in Verzug und muss Verzugszinsen bezahlen.
Viele Gläubiger scheuen vor einem gerichtlichen Verfahren in der Türkei, da sie meinen, nichts erreichen zu können. Auch wenn die gerichtlichen Verfahren in der Türkei immer noch relativ lange dauern, kann es je nach Fallgestaltung empfehlenswert sein, die Forderung in der Türkei gerichtlich durchzusetzen.
Doch bevor ein solcher Schritt unternommen wird, sollten zu allererst Nachforschungen über das Vermögen des Schuldners in der Türkei getätigt werden, damit später die Zwangsvollstreckung erfolgreich verlaufen kann. Hier ist die Kooperation mit international ausgerichteten türkischen Anwaltskanzleien von immenser Bedeutung, damit die notwendigen Ermittlungen über das Vermögen des Schuldners noch vor der gerichtlichen Auseinandersetzung durchgeführt und später die geeigneten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden können.
Bevor der Klageweg eingeschritten wird, gibt es nach dem türkischen Vollstreckungsgesetz die Möglichkeit, einen sog. „Zahlungsbefehl“ (ödeme emri) zu beantragen. Gegen den Zahlungsbefehl hat der Schuldner 7 Tage Zeit, ab Zustellung Einspruch (itiraz) einzulegen. Kommt es zu keinem Einspruch des Schuldners, wird der Zahlungsbefehl rechtskräftig und vollstreckbar. Dies ist in etwa mit dem deutschen Mahnverfahren (Erlangung eines Vollstreckungsbescheids als Titel) vergleichbar, wobei es Unterschiede in der praktischen Vorgehensweise gibt.
Wenn jedoch der Schuldner Einspruch einlegt, muss der Gläubiger innerhalb eines Jahres Klage auf Aufhebung des Einspruchs erheben (itirazın iptali) und seinen Anspruch begründen. Legt der Schuldner unbegründet Einspruch ein, riskiert dieser eine Verurteilung zu einem verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch in Höhe von bis zu 40 % der Forderung.
Die Revisionsfrist gegen das erstinstanzliche Urteil an den Kassationsgerichtshof beträgt 15 Tage ab Zustellung des schriftlichen Urteils (noch zweistufiger Gerichtsaufbau). Jedoch ist schon dieses Urteil vollstreckbar, obwohl es noch nicht rechtskräftig geworden ist. Während des schwebenden Revisionsverfahrens beim Kassationsgerichtshof kann der Schuldner die Vollstreckung nur dadurch abwenden, in dem er eine Sicherheitsleistung erbringt und den Zurückstellungsbeschluss des Kassationsgerichtshofs vorlegt.
Die Sicherung der Ansprüche des Gläubigers im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens erfolgt über eine Arrestpfändung. Dieser Schritt ist dann zu erwägen, wenn die Gefahr besteht, dass der Schuldner sein Vermögen vor oder bis zum Ende des ordentlichen Verfahrens bspw. an Dritte verschiebt. Bei einer fälligen Forderung des Gläubigers kann die Arrestpfändung auf das gesamte Vermögen des Schuldners beantragt werden, ohne dass es einer Zustellung des Antrags an den Schuldner bedarf. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Glaubhaftmachung der Fälligkeit der Forderung oder aber die Zahlung einer Garantie in Höhe von 15 % des Forderungsbetrags.
Nach dem Erlass des Arrestpfändungsbeschlusses muss innerhalb von 10 Tagen die Vollstreckung aus dem Beschluss erfolgen, da nach Ablauf dieser Frist der Beschluss über die Arrestpfändung unwirksam wird. Für die Vollstreckung sind die Vollstreckungsämter zuständig, deren Maßnahmen von Sach-, Immobilien- oder Forderungspfändungen bis zur Zwangsversteigerung reichen.
Da es sich bei der Arrestpfändung um eine einstweilige Maßnahme handelt, muss nach der Vollstreckung des Beschlusses innerhalb von 7 Tagen nunmehr das Gerichts- oder Vollstreckungsverfahren in der Hauptsache eingeleitet werden.
Es kommt nun auch oft vor, dass die Gläubiger in Deutschland gegen den Schuldner einen rechtskräftigen Titel erwirkt haben, aber die Vollstreckungsmaßnahmen in Deutschland bisher erfolglos verlaufen sind. In diesem Fall gibt es die Möglichkeit, auch auf das Vermögen des Schuldners in der Türkei zuzugreifen. Doch bevor dies geschehen kann, muss das deutsche Urteil in der Türkei im Wege eines gerichtlichen Anerkennungsverfahrens für vollstreckbar erklärt werden. Auch hier können vorab einstweilige Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden, um etwaige Verschiebungen des Vermögens des Schuldners zu verhindern.
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